Identity: Was passierte mit den Kickstarter-Millionen des Real Life RPG?

Identity: Was wurde aus den Kickstarter-Millionen?

Eine erfolgreiche Kampagne auf Kickstarter, mehr als eine Million Dollar zusätzlich über die eigene Website eingesammelt und fast 200.000 registrierte Nutzer im Forum. Klingt nach grandiosen Voraussetzungen für die Entwicklung eines Spiels. Tatsächlich haben die Käufer aber bis heute kein funktionierendes Spiel, welches auch nur einen Bruchteil der einst versprochenen Funktionen beinhalten würde. Stattdessen warf man seinen Kunden einen Knochen in Form einer Tech Demo vor die Füße. Die gibt es seit mittlerweile fast drei Jahren für saftige 25 Euro auf Steam zu kaufen, kürzliche Bewertungen: 9% positiv. Wie konnte das passieren? Was wurde aus dem Real Life RPG Identity?

Wie alles begann

Oktober 2013. Die Domain Gaming-Asylum.com wird registriert. Einen Monat später ist darunter eine kleine Webseite sowie ein Forum zu finden. Dort kann man von nun an Informationen zu einem ArmA 3 Server und die entsprechenden Changelogs finden. Den Server betrieb man wohl bereits schon einige Zeit bevor man sich eine eigene Homepage zulegte, trägt der erste Changelog doch bereits die Versionsnummer 3.0.9. Gespielt wird eine modifizierte Version von Altis Life, ein Spielmodus, der das reale Leben nachahmt. Auf den meisten Servern gibt es Zivilisten, die sich die meiste Zeit mit dem Geld verdienen um die Ohren schlagen, die Polizei, welche für Recht und Ordnung sorgt, sowie Rebellen, die den beiden vorangegangenen Gruppen das Leben schwer machen.

14 Monate später erfreut sich der Server nach wie vor einer steigenden Beliebtheit. Aus den dreißig Forenmitgliedern sind mittlerweile mehr als 13.000 geworden. Inzwischen betreibt man auch nicht mehr nur einen ArmA-Server, sondern bis zu fünf mit jeweils Platz für einhundert Spieler. Es ist zwei Tage nach Heiligabend im Jahr 2014 und niemand im Forum dürfte mit dem rechnen, was zwei Wochen später passiert.

Identity wird auf Kickstarter angekündigt

5. Januar 2015. Ein neues Projekt geht auf Kickstarter an den Start. Identity soll ein Open-World-MMORPG werden, dass einem alle nur erdenklichen Möglichkeiten gibt. Egal, ob man einfacher Bürger, Polizist, Arzt, Notfallsanitäter oder Krimineller sein möchte – alles soll möglich sein. Keine Level, kein Grinding, die persönlichen Entscheidungen und der eigene Charakter sollen den Lauf des Spiels bestimmen. Man verspricht zahllose Jobs sowie Gangs, Kartelle und Unternehmen. Auch von Karaoke über Paintball bis zum Kinobesuch soll alles in Identity möglich sein. So gut wie nichts soll durch NPCs funktionieren.

Spieler sollen Häuser ausbauen, Möbel herstellen und Läden führen. Große Erweiterungspakete werde es nicht geben, dafür aber zahllose kleine Updates mit neuen Inhalten und Verbesserungen. Nahezu jede Woche wolle man mit einem Patch das Spiel erweitern und Fehler in Identity beheben. Das alles, so verspricht man, soll es ganz ohne Abogebühren oder Pay-to-Win geben. Man möchte nichts Geringeres als die Revolution der MMO-Welt und das obendrein noch mit einer grandiosen Grafik dank Unreal Engine 4.

Für all das verlangen die Entwickler gerade einmal 150.000 Kanadische Dollar, umgerechnet nicht einmal ganz 100.000 Euro. Eine verhältnismäßig geringe Summe für die Spieleentwicklung, insbesondere wenn es um ein MMO geht. Die Entwicklung eines solchen Großprojekts dauert normalerweise Jahre und kostet Millionen. Dennoch wollen die Kanadier das Spiel bis Dezember des folgenden Jahres fertiggestellt haben. Dabei arbeiten sie laut eigener Aussage gerade einmal seit einigen Monaten mit einem kleinen Team an dem Spiel. Zweifel an den vorhandenen Ressourcen und dem Spendenziel versucht man allerdings auszuräumen. In der Sektion „Risiken und Herausforderungen“ auf Kickstarter heißt es zum Projekt: „Sollten wir unser Ziel hier auf Kickstarter erreichen, haben wir alles, was es braucht, um die Fertigstellung von Identity sicherzustellen.“ Mit zusätzlichen Einnahmen wolle man die Entwicklung beschleunigen und sich noch intensiver Kleinigkeiten annehmen.

Auch im eigenen Forum rührt man die Werbetrommel für das Projekt. Die Reaktionen unter der Ankündigung fallen durchweg positiv aus. So kann man den ersten Tag der Spendenkampagne auf Kickstarter mit über 11.000 Dollar abschließen. Bleiben also noch 29 Tage für den Rest des Geldes. Bereits am nächsten Tag meldet man sich in einem Blogpost zu Wort und bedankt sich für die bisherige Unterstützung. Man habe „sehr viel Aufmerksamkeit“ aus der Branche bekommen und „einige der größten Publisher“ seien bereits auf die Entwickler zugekommen. Je nach Ausgang der Kampagne wolle man auf diese vielleicht zurückkommen.

Kampagne läuft schleppend

Fast zwei Wochen später ist das Spendenziel mit 50.000 Dollar gerade einmal bei einem Drittel der angestrebten Summe. Langsam wird auch den Personen hinter Identity klar, dass es eine ziemlich knappe Sache werden könnte. Ein Glück, dass der YouTuber und Streamer Squirrel das Projekt entdeckt und begeistert davon ist. Anschließend unterstützt er es nicht nur selbst mit einer Spende, sondern führt auch ein Interview auf seinem YouTube-Kanal mit John VanderZwet, dem Chef des eigens für Identity gegründeten Studios Asylum Entertainment. Was sich bereits in der Beschreibung des Projekts missverständlich las, wird nun eindeutig und damit falsch wiederholt: Der Identity-Boss wird als Macher von Altis Life dargestellt, was fernab der Realität ist. Hatte er doch lediglich mit Freunden ein paar Funktionen für den eigenen Server hinzugefügt. Auf den Fehler weist John allerdings nicht hin. Man darf also vermuten, dass die Formulierung auf Kickstarter bereits bewusst und gewollt fehlleitend war.

Im Video geizt John nicht mit Superlativen und ausführlichen Beschreibungen zu den schier unendlichen Möglichkeiten des Spiels. Dazu gehören auch Features, die zuvor nie auf Kickstarter erwähnt wurden. So soll es zum Beispiel Wahlen geben. Auf diese Weise könnten Spieler etwa Gouverneur werden und Gesetze für die Spielwelt erlassen. Auf den offiziellen Servern seien fast tägliche Events geplant. Offizielle Server? Ja, neben von Asylum selbst betriebenen Servern soll es nämlich auch die Möglichkeit zur Miete eines eigenen Servers geben. Dort hätte man extrem umfangreiche Einstellungsmöglichkeiten, sodass auf einem anderen Server ein Gefühl wie von einem anderen Spiel entsteht.

Was John beschreibt, klingt heutzutage stark nach einem GTA Roleplay Server, allerdings sogar noch umfangreicher. Im Interview vergleicht er das Spiel sogar mit einer Mischung aus dem damals bekannten Altis Life und GTA V. RP-Server, wie es sie heute gibt, schienen damals noch in weiter Ferne. Es gab schlichtweg keinen Multiplayer neben GTA Online. Entsprechende Projekte wurden, seitens Publisher 2K oder aber Rockstar Games selbst, durch Klagen von den Serverfestplatten gefegt. Erst Jahre später gab man nach und ließ die Modder gewähren. Nicht zuletzt deswegen sehnten sich damals viele Spieler nach einem schick aussehenden Spiel, dass ihnen einfach mehr bot und im Optimalfall auch eine bessere Performance hatte als ArmA 3.

Das Interview zwischen Squirrel und John postete man sogleich auch auf Kickstarter. Dort betonte man nochmals, wie wichtig es sei, dass alle die Kampagne teilten, damit das Ziel von 150.000 Kanadischen Dollar erreicht würde. Beim nächsten Satz könnte man jedoch stutzig werden: „Identity wird auch ohne dieses Ziel vollendet werden, es könnte allerdings zu Verzögerungen kommen.“ Das Erreichen des Kampagnenziels diene als „Proof of Concept“ gegenüber Investoren. Das wirft gleich doppelt Fragen auf: Hieß es nicht ursprünglich die Summe sei alles, was man zum Beenden des Projekts brauche? Wie kann die Summe nun nicht zwangsläufig benötigt werden, um das Spiel fertigzustellen und von welchen Investoren ist hier die Rede?

Die Wende auf Kickstarter

Am 28. Januar 2015 liegt man bei knapp über 80.000 Dollar und hat nur noch sieben der ursprünglichen dreißig Tage Zeit, um das benötigte Geld einzusammeln. Es ist somit noch beinahe die Hälfte der Gesamtsumme, die den Kanadiern fehlt. Ein paar neue Interviews mit Onlinemedien und YouTubern hatten der Kampagne neue Aufmerksamkeit gebracht. So konnte die Summe ein wenig schneller klettern als bisher, doch es brauchte wesentlich mehr, wenn man das Ziel noch erreichen wollte.

Bei Asylum entschloss man sich also zu einem längeren Blogpost auf Kickstarter. In diesem beschreibt man ausführlich, wie ein Banküberfall im Spiel funktionieren soll und beleuchtet insbesondere die Möglichkeiten der Polizei. Es wird auf verschiedene Spezialeinheiten und deren Waffen sowie Ausrüstung, die Fahrzeuge der Beamten und Möglichkeiten des Profilings eingegangen. Außerdem betont man, wie viele weitere Möglichkeiten das Spiel bieten soll. Bei der Polizei warte etwa auch eine Sondereinheit zur Bekämpfung von Drogenkriminalität, auf der Seite des Verbrechens hingegen viele weitere Raubüberfalle, auch weit größer als der beschriebene Banküberfall.

Der Plan geht auf. Innerhalb eines Tages steigt die eingesammelte Summe auf über 100.000 Dollar. Ein paar Tage später, am 2. Februar, kann man schließlich das Erreichen des Spendenziels verkünden. Für die verbleibenden zwei Tage bis Ende der Kampagne spart man es sich die Stretchgoals zu verkünden, die man bereits am ersten Tag einst ankündigte. 48 Stunden später endet die Kampagne mit insgesamt 187.734 Kanadischen Dollar.

Parallel dazu kündigt man den Launch der eigenen Website an. Dort könne man zum Beispiel Vorschläge für Features einbringen, „so früh in der Entwicklung“ sei dafür der ideale Zeitpunkt. Eine Formulierung die irritiert, hatten die Entwickler doch gesagt, sie seien bereits weit fortgeschritten und hätten nach nur einigen Monaten Arbeit „Dinge gemacht, die nie zuvor in einem anderen Videospiel gemacht wurden“. Zugleich gibt man bekannt, dass das Crowdfunding weitergehe. Ab sofort soll man zu jeder Zeit auf der Homepage das Spiel kaufen können, zu den gleichen Konditionen wie zuvor auf Kickstarter.

Schon der erste Blick auf die neue Website dürfte dem ein oder anderen Backer auf Kickstarter sauer aufgestoßen sein. Denn plötzlich liegt das Spendenziel nicht mehr wie zur Kampagne bei 150.000 Kanadischen Dollar, sondern bei 250.000 US-Dollar.

Die Zeit nach dem Crowdfunding

Alle paar Tage posten die Entwickler neue Konzeptzeichnungen verschiedener Regionen auf Twitter. Anfang März gibt es schließlich einen ersten Entwurf der gesamten Insel zu sehen. Etwa 200 Quadratkilometer groß soll sie sein. Zu diesem Zeitpunkt haben etwa 450 weitere Personen das Spiel über einen Kauf auf der Homepage unterstützt, zwei von ihnen mit jeweils $5.000. Unter dem Tweet fragt ein Nutzer nach Flugzeugen. Die solle es nicht geben, allerdings überlege man einen Flughafen zu integrieren. Von dort aus solle man zu DLC-Gebieten reisen können. Dabei hatte man neben Abogebühren auch kostenpflichtige Erweiterungen ausgeschlossen. Zu diesem Zeitpunkt steht das sogar auf der Crowdfundingseite der eigenen Website.

Es ist insbesondere Twitter, wo Asylum seine Fortschritte an Identity kommuniziert. So verlautbart man am 21. März 2015, dass die Waffenballistik sowie die Charakteranimationen in den letzten Zügen seien. Auch die Karte macht offenbar große Fortschritte. In den nächsten Tagen folgen einige Bilder von Gebäuden im Spiel, eine erste Stadt zeichnet sich ab. Doch die Posts werden weniger, nur noch alle paar Wochen präsentiert man einige neue Kleidungsstücke oder auch einmal eine Waffe, die ins Spiel integriert werden soll.

„Module“ statt Identity-Vollversion

Zum Jahresende gibt es einige Neuerungen. Die sogenannten Module werden angekündigt, außerdem gibt es eine neue Webseite. Wer einen Blick auf den überarbeiteten Shop wirft, stellt fest, dass besonders für die günstigen Pakete die Preise angezogen wurden. Vollversion und Beta-Zugang kosten jeweils 5 Dollar mehr, ein rostiges Auto sogar gleich $20 mehr. Letzteres verdoppelte so nahezu seinen Preis.

Die eben erwähnten Module sollen vorab spielbare Fragmente sein, während man im Hintergrund weiter am Hauptspiel werkelt. Doch warum arbeitet man nicht einfach wie gehabt weiter und gibt den entsprechenden Backern wie geplant zur Closed Beta Zugang zum Spiel? Wieso sollte man sich die Mühe machen, Teile des Spiels zu extrahieren und fortan mehrere Projekte managen und patchen zu müssen? Hierfür gibt es allen voran zwei mögliche Erklärungen.

Zum einen könnte das Geld bereits knapp werden. Im neuen Shop sieht man nicht mehr, wie viel Geld bisher zusammenkam, zuletzt lag die Zahl jedoch bei knapp über $190.000. Selbst wenn man den Release Ende 2016 halten würde, müsste man das Team mit dem Geld über etwa ein Jahr finanzieren. Selbst wenn noch kein Cent ausgegeben worden wäre, hätte man also weniger als $16.000 Budget pro Monat. Außerdem lässt sich schlecht etwas verkaufen, dass man erst zu einem unbestimmten Zeitpunkt bekommt und spätestens mit dem Aufflammen von Early Access haben Spieler offenkundig auch kein Problem mit unfertigen Produkten. Den Käufern zumindest eine Kleinigkeit zum Herumspielen zu geben, könnte bereits Verkaufsargument genug für manch jemanden sein.

Andererseits wäre es auch möglich, dass sich die fehlende Erfahrung in der Spieleentwicklung des Teams bemerkbar macht. Bisher hatten sie schließlich nur ein vorhandenes Spiel modifiziert. Von Performance und Optimierung haben sie vielleicht dementsprechend wenig Ahnung, insbesondere da sie nur wenige Monate vor der Kampagne auf Kickstarter mit den Arbeiten begonnen hatten. Womöglich wären sie bereits weiter in der Entwicklung, wenn sie mehr Erfahrung hätten oder sich weniger mit Optimierungen herumschlagen müssten. Vielleicht gibt es bereits eine umfangreichere Spielversion – vor über einem halben Jahr soll schließlich die Ballistik nahezu fertig gewesen sein – aber man bekommt sie einfach nicht flüssig zu laufen, erst recht nicht für mehrere hundert Spieler auf einem Server zugleich.

Es wird ruhig um Identity

In den nächsten Monaten, so heißt es seitens Asylum, sollen die Spieler das erste Modul spielen können. Doch in den nächsten Monaten wird es sehr ruhig. Nicht einmal zwanzig Tweets setzten die Entwickler im gesamten Jahr 2016 ab. Ende Oktober 2016 meldet man sich auf Kickstarter zu Wort und entschuldigt sich für die Funkstille. Über das letzte Jahr musste man allen voran Backendsysteme entwickeln, wie etwa die Waffenphysik oder den Netzwerkcode. Nun sei dies allerdings abgeschlossen und es gehe ans Gameplay.

Die neu gewonnene Aktivität nutzt man sogleich, um wieder einmal die Werbetrommel zu rühren. Ein weiteres Mal, werden neue Features angepreist, während es noch immer keine spielbare Version gibt. Dieses Mal geht es um Firmen, die Spieler gründen sollen. Egal ob Liefer- oder Transportunternehmen, Anwaltskanzlei oder produzierendes Gewerbe – alles soll möglich sein. Nahezu jedes Item, von der Kleidung bis zu den Möbeln, soll aus Spielerhand kommen.

Anschließend wird es zuerst wieder sehr ruhig, irgendwann beginnen wieder regelmäßigere Updates. Statt großen Neuerungen weist man zumeist aber nur ein paar neue Kleidungsstücke oder einzelne Objekte wie einen Briefkasten vor. Im November 2017 gibt es eine erneute Wasserstandsmeldung auf Kickstarter. Das erste Modul, welches Stand Dezember 2015 „in den nächsten Monaten“ kommen sollte, ist immer noch nicht erschienen. Nun verspricht man allerdings, dass es am 21. März 2018 endlich erscheine. Inhalt sollen das Einrichten von Wohnungen, Karaoke, ein Kino sowie eine Bibliothek und ein Museum sein. Die Entwicklung weiterer Module solle auch weitaus schneller gehen, als nächstes plane man ein Modul mit Schusswaffen und ein weiteres mit Fahrzeugen und Autorennen.

Ein Aufschub nach dem nächsten

Anfang März 2018 gibt man bekannt, dass sich das erste Gameplaymodul um etwa einen Monat verschiebt. Zwei Tage vor dem neuen Releasetermin heißt es dann, es sei zu unvorhersehbaren technischen Problemen gekommen. Man veröffentlicht eine Liste von Aufgaben, die noch vor der Veröffentlichung abgeschlossen werden müssen. Kurz darauf kündigt man an, dass vier neue Programmierer zum Team hinzustoßen. Dadurch dürfte das Team dann mittlerweile aus etwa zehn fest angestellten Personen bestehen. Es stellt sich die Frage, woher das Geld dafür kommt. Man verkauft zwar fleißig Ingame-Goodies, aber können diese wirklich die Mitarbeiter finanzieren?

Im August 2018 ist man angeblich in den letzten Zügen für das erste Modul. Es soll über Steam spielbar sein. Mittlerweile sollte das Spiel vor fast zwei Jahren ursprünglich final erscheinen. Zweieinhalb Jahre sind seit der Ankündigung des ersten Gameplaymoduls vergangen. Immerhin ein halbes Jahr liegt der erste offizielle Releasetermin des Moduls zurück. Es dauert noch zwei weitere Monate, bis man einen Trailer veröffentlicht. Wiederum einen Monat später, am 30. November 2018, erscheint der sogenannte Town Square tatsächlich auf Steam. Es dauert allerdings eine Woche, bis er wirklich für eine breite Spielerschaft lauffähig ist. Zuvor stürzen Client oder Server schlichtweg zu häufig ab, haben Performanceprobleme oder sind einfach überlastet.

Ausgereift ist das spielbare Fragment allerdings nicht. Es gibt zahllose Bugs, einige der versprochenen, wenigen Features fehlen. Die Spieler klingen blechern. Manche Kunden können die online gekauften Pakete nicht einlösen. Die meisten Inhalte gibt es ohnehin noch nicht im Spiel – etwa Autos – aber selbst solche, die bereits enthalten sind, machen Probleme. Ab und an gibt es einen Patch mit Bugfixes, aber so gut wie keine Neuerungen.

Alles liegt brach

Auf Kickstarter gab man es mit dem Steam-Release auf, Updates zu posten. Der letzte Tweet wurde im Juni 2019 abgesetzt. Auch die eigene Website liegt brach. Der letzte Eintrag im Dev Tracker aus 2018, der Blogpost aus dem Mai 2019. Das aktuellste, was man auf der Homepage findet: Der Zähler für das bisher eingenommene Geld. Mittlerweile rund 1,5 Millionen Dollar konnte man den Spielern abgewinnen. Dazu kommen vermutlich noch einige Verkäufe über Steam, die sich nicht von den negativen Bewertungen haben abschrecken lassen.

Laut Website befindet sich der Town Square „in Produktion“. Womöglich soll das bedeuten, dass er noch mit Updates versorgt werde, aber selbst das würde nicht stimmen. Die nächsten Module „SWAT“ und „Racing“ befinden sich hingegen in der Designphase. Darunter erklärt ein Text das Konzept der Module. Ein weiteres Mal in dieser Geschichte dürfte dies ein skeptisches Hochziehen der Augenbraue hervorrufen. Module seien nämlich Standaloneversionen einzelner Inhalte, um Backern etwas zu geben, während man dem Spiel den „letzten Feinschliff“ gebe. Wenn dies der Fall wäre, wie kann es dann fast drei Jahre von der Ankündigung des ersten Moduls bis zum Release gebraucht haben?

Dem Analysedienst SteamSpy zufolge besitzen etwa 44.000 Personen Identity auf Steam. Wie viele es davon wirklich über Steam gekauft haben, lässt sich nicht genau sagen. Teilt man die Einnahmen die auf der Website von Identity gelistet sind – die vermutlich nicht die Erlöse aus Steamverkäufen, sondern nur die der Website beinhalten – durch die Besitzer, kommt man auf etwas mehr als den Retailpreis von $30. Nun dürften allerdings auch mehrere tausend Spieler Identity zu einem deutlich geringeren Preis über Kickstarter oder den ersten eigenen Shop erworben haben. Dass der Durchschnitt dennoch über dem Vollpreis liegt, ist mit den vielen Goodies aus dem Webshop zu erklären.

So verkauft Asylum seit Jahren Ingame-Gegenstände die zum größten Teil noch nicht einmal verfügbar sind und es womöglich auch niemals sein werden. Wohnungen lassen sich ab 25$ erwerben, die teuerste kostet sogar 300 US-Dollar. Eine bisher nicht implementierte Garage gibt es für 20 Dollar, das passende Auto kann man für 30 Dollar vorbestellen. Wem eine alte Rostlaube nicht genug ist und lieber in ferner Zukunft einen Sportwagen fahren möchte, muss $100 auf den Tisch legen. Zu guter Letzt soll es noch Haustiere geben. Diese lassen sich für einen Preis zwischen 25 und 40 US-Dollar vorbestellen. Zusätzlich zum Kauf anregen sollen Hinweise wie „Limited Time Offer“, obwohl die Angebote schon seit Jahren verfügbar sind.

Ein ernüchterndes Lebenszeichen

Das Geld scheint spätestens jetzt fast aufgebraucht. In einem Newsletter schrieben die Entwickler Anfang 2020, dass einige der Mitarbeiter lediglich in Teilzeit arbeiteten. Außerdem würde man Auftragsarbeiten nachgehen, um die Rechnungen des Unternehmens bezahlen zu können. Der weitere Inhalt des Schreibens an die Community ist jedoch nicht weniger interessant.

Von nun an möchte man das Konzept der Module aufgeben. Der eigentliche Grund zur Einführung sei gewesen, Rechenschaft gegenüber den Backern des Crowdfunding abzulegen und ihnen etwas für ihr Investment zu geben. Das habe man mit dem Release des Town Square jedoch erfüllt. Stattdessen soll es nun Updates für dieses eine Modul geben, bis es irgendwann die Vollversion von Identity ist. In Anbetracht der zurückliegenden Updatepolitik dürfte das in außerordentlich weiter Ferne liegen. Man erklärt, dass die Geschwindigkeit der Entwicklung vom Geld abhänge, wenn mehr Leute das Projekt durch Käufe unterstützen würden, erschienen Updates deutlich schneller. Das Kampfsystem etwa sei beinahe fertig. Wir erinnern uns daran, dass auch schon im März 2015 die Waffenballistik „fast fertig“ war.

Außerdem kündigt man an, die Entwicklung zu „öffnen“. Konkret möchte man, dass erfahrene Mitglieder der Community ehrenamtlich am Spiel mitentwickeln. So könne man bei klein bleibendem Budget mehr schaffen. Um eben jenes „kleine Budget“ zu erhöhen, sieht man sich laut der Mail nach Investoren um. Angeblich hat man sogar mehrere Angebote auf dem Tisch.

Im Anschluss folgt ein Werbeblock für eine Kickstarter-Kampagne in der Mail. Es geht um einen Verschnitt von Rocket League mit Hamstern statt Autos. Asylum sei Publisher und würde große Umsatzanteile erhalten. Daher bittet man darum das Projekt zu unterstützen. Das Team von Asylum sei allerdings nicht in die Entwicklung involviert. Abstruserweise ist John VanderZwet jedoch als Geschäftsführer des „Furballs“-Entwicklers Phony Games eingetragen. Zum Schluss zeigt man im Newsletter noch mehrere Monate alte Videos, da man offenbar keine neuen Inhalte vorzuzeigen hat.

Auch im Forum herrscht gähnende Leere. Der eigene Community Manager war zuletzt vor vier Monaten im Forum online. Pressemitteilungen gab es seit über drei Jahren nicht mehr, fast genauso lang stehen Stellenausschreibungen auf der Firmenwebseite offen.

Die Konstante

Was allerdings immer noch aktiv läuft, ist der ArmA 3 Altis Life Server von Asylum. Es ist zwar nur noch ein Server und nicht mehr einer von fünf wie einst, aber er ist zumindest stets gut gefüllt. Wer sich durch die Seite klickt, kommt vielleicht ins Schmunzeln. Denn während es in der Kickstarter-Kampagne zu Identity noch hieß, dass man Mikrotransaktionen, Abomodelle und insbesondere Pay2Win hasse, „wie jeder andere Spieler auch“, ist der ArmA-Server das Gegenteil dieser Vorstellung.

Wer Geld spendet, erhält jeden Monat jeweils bessere Preise beim Verkauf von Items, mehr Platz im Inventar, mehr Drops. Bei bestimmten Gesamtsummen gibt es außerdem einzigartige Skins und Fahrzeuge. Für fünf Dollar pro Monat gibt es die Asylum-Mitgliedschaft. Diese gewährt Zugriff auf exklusive Waffen, Fahrzeuge sowie einige Usability-Funktionen. Als Krönung gibt es dann tatsächlich auch noch Lootboxen mit besonderen Items und Skins.

Die meisten Spieler dürften mittlerweile ihre Hoffnungen in Identity aufgegeben haben. GTA Roleplayserver sind womöglich ein kleiner Wermutstropfen für die Vision von dem, was man einst in Identity erleben wollte. Doch alles, was man in Asylums Real Life RPG investiert hat, dürfte verbranntes Geld sein. Zwar ist die Firma nicht insolvent, das Spiel immer noch verfügbar und die Entwicklung offiziell nicht eingestellt. Doch trotzdem hört man wieder seit Monaten nichts mehr von den Entwicklern und nennenswerte Änderungen gab es innerhalb des letzten Jahres nicht. Auch ein Blick auf das, was man bisher veröffentlichte, dürfte manch einem Backer die Tränen kommen lassen, wenn doch das fertige Spiel ursprünglich einmal vor vier Jahren erscheinen sollte.