Donationgoals sind nichts ungewöhnliches auf Twitch, doch mittlerweile driften sie gerne in die Absurdität und moralische Fragwürdigkeit ab.
Mittlerweile sind Donationgoals, genauso wie Trinkgelder („Donations“) selbst, Gang und Gebe auf Twitch. Oftmals geht es um neue Hardware, die den Stream verbessern soll oder vielleicht auch um die Reise zur nächsten Messe. Doch manchmal sind die Donationgoals, die uns manch ein Streamer vor die Nase setzt, durchaus obskur und auch gerne einmal moralisch äußerst fragwürdig.
Wir sind auf Twitch, wir sind Teil einer großen Community. Viele helfen sich untereinander aus, tauschen Wissen aus oder stecken dem anderen auch einmal einen Sub und ein Trinkgeld zu. Es ist einfach eine angenehme Kultur, die auf Twitch vorherrscht. Doch manchmal kann man einfach nur den Kopf schütteln bei den Goals, die von den Streamern teilweise aufgestellt werden.
Vom Nutzen zur Schattenseite
Grundsätzlich sind Donationgoals überhaupt nichts Schlechtes. So weiß der Zuschauer und insbesondere derjenige, der etwas dazu beiträgt, wo sein Geld hinfließt. Man weiß genau, was der Streamer sich kaufen möchte und kann danach entscheiden, ob man etwas dazu beitragen möchte. Außerdem kann die Community als Ganzes sehen, wie es um das angepeilte Ziel steht und was man gemeinsam schon geschafft hat. Am schönsten ist es natürlich, wenn jeder auch etwas vom Erreichen des Ziels hat, z.B. durch bessere Hardware, die den Stream für alle verbessert.
Manchmal wird es jedoch obskur, absurd und teilweise auch moralisch fragwürdig. Natürlich könnte man argumentieren, dass man einfach nichts dazu geben soll, wenn einem der Zweck wiederstrebt. Doch damit ist es nicht getan, denn teilweise sind die Donationgoals und die Hintergrundgeschichten dazu manipulativ, beeinflussend und zutiefst unmoralisch. Das reicht von der Drohung durch die Blume nicht mehr zu streamen, wenn das Ziel nicht erreicht wird, bis hin dazu, dass (unheilbare) Krankheiten involviert werden.
Das Pony und ihr Pferd
Anfang Januar gab es einen großen Aufruhr um das Donationgoal von Katharina Engl, besser bekant als Zauberpony. Nach dem Tod ihres Pferdes legte sie ein Ziel über 10.000€ an, um sich ein neues Pferd finanzieren zu können. Grundsätzlich ist das natürlich in Ordnung, wenn auch das Ganze etwas ausgefallen ist. Problematisch wurde es für viele erst an dem Punkt, als kommuniziert wurde, das sie ohne das Erreichen des Ziels das Streamen aufgeben müsse. Das klingt zunächst einfach nur obskur, zusammenhangslos und wie eine unterschwellige Drohung, hat jedoch einen Hintergrund. Ihre Eltern machten ihr das Angebot das Pferd zu bezahlen unter der Bedingung, dass sie das Streamen aufgibt.
Die meisten Tweets seitens Zauberpony zu dem Thema sind mittlerweile gelöscht. Bis heute verlinkt sie allerdings auf ihrem Profil ein Statement auf TwitLonger. Darin schreibt sie unter anderem, dass sie studiert, Teilzeit arbeitet und zusätzlich streamt, so zwar durchaus Geld verdient, aber nachvollziehbarerweise nicht spontan einen vier- bis fünfstelligen Betrag berappen kann. Ihre Eltern hätten ihr mit einem Kredit ausgeholfen, allerdings nur wenn sie das Streamen aufgibt, da sie es als sinnlose Zeitverschwendung betrachten. Aus diesem Grund und um das Streamen nicht aufgeben zu müssen, habe sie das Donationgoal erstellt. Was also im ersten Moment wie eine Drohung klingt, dass sie sonst aufhört, ist eigentlich andersherum gemeint. Zauberpony schreibt auch, dass sie nie ein Ultimatum gesetzt hatte, doch vielleicht war es die offene Kommunikation der Fakten, die es wie eines hat wirken lassen.
Vielleicht wäre es in diesem Fall besser gewesen die etwaige Konsequenz nicht zu kommunizieren, auch wenn es ehrlich war. Womöglich hätte sie einfach kein sichtbares Goal dafür anlegen sollen, aber im Nachhinein ist man immer schlauer. Inzwischen ist es wieder ruhiger um Katharina Engl geworden. Eigentlich könnte man sagen, dass alles für sie wieder gut geworden ist, denn sie streamt nach wie vor, hat nun aber auch ein neues Pferd:
Es gibt allerdings auch Fälle in denen man nicht von Missverständnissen oder falscher Kommunikation reden kann. Manchmal wird wirklich nur noch die Grenze des guten Geschmacks überschritten.
Die Mitleidsnummer
Wirklich fragwürdig wird es, wenn aktiv mithilfe von Mitleid um Geld geworben wird. Das für Aufmerksamkeit und Reaktionen der Zuschauer einmal auf die Tränendrüse gedrückt wird, kennt man bestens aus Film und Fernsehen. Auf diese Weise um Geld zu betteln ist jedoch über alle Maßen moralisch fragwürdig. Welch extreme Züge das annehmen kann, beweist ein „ArmA 3“-Streamer eindrucksvoll.
In auffälligen, kontrastreichen Farben wirbt er um Geld. Der Zweck? Neue Teile für den PC und achja, eine angebliche, unheilbare Krankheit. Wir möchten dem Streamer nicht unterstellen, dass er eine Krankheit erfinden würde und gar nicht ernsthaft erkrankt sei, aber muss man damit regelrecht offensiv werben? Es lässt ihn bedürftig wirken, ein schlechtes Gefühl mitschwingen, dass man ihm nicht hilft, wobei es einem selbst doch so gut geht. Ist Twitch die richtige Plattform, um für so einen Zweck Geld zu sammeln? Zumal der primäre Grund ja dann doch die Computerbauteile zu sein scheinen. Muss man dann wirklich noch dazu schreiben, dass man unheilbar krank sei? Sollten die Zuschauer nicht aus Sympathie und gutem Content heraus etwas geben und nicht weil man Mitleid hat oder zu solchem gedrängt wird?
Noch schlimmer wird es eigentlich nur noch, wenn offensiv eine Einschränkung dargestellt wird, obwohl diese gar nicht existiert. Sprich etwa eine Behinderung vorgetäuscht wird, nur um daraus Geld zu schlagen. Einen solchen Fall zeigt dieses Video aus dem Jahre 2013. Man sieht den Streamer ZiloanOP, der scheinbar im Rollstuhl sitzt. Er ließ sich einen vermeintlich neuen Rollstuhl und fiktive Arztkosten bezahlen. Sein Lügenkonstrukt flog auf, als er gedankenverloren vor laufender Kamera aus seinem Rollstuhl aufstand und aus dem Raum lief.
Wo fängt es an und wo hört es auf?
Die Frage ist, wo fängt die moralische Verwerflichkeit an? Auch ein Ziel auf dem groß „Miete“, „Essen“ oder „Nebenkosten“ prangt, lässt ein schlechtes Gefühl mitschwingen. Denn indirekt sagt es, wenn es nicht erreicht wird, sitzt der Streamer im schlimmsten Fall nächsten Monat auf der Straße oder kann zumindest nicht mehr streamen und muss sein Geld anders verdienen. Auch das drängt die Zuschauer und stachelt sie auf perfide Art und Weise zum Schenken an.
Letztlich kann man sagen, es steht natürlich jedem zu jeder Zeit frei zu entscheiden, ob man einem Streamer Geld gibt oder nicht. Doch manch ein Streamer nutzt die Bereitschaft seiner Zuschauer aus und wirbt offensiv mit Drohungen oder falschen Tatsachen um Geld. Dies überschreitet dann eindeutig eine Grenze: Die des guten Geschmacks, die der Moral und man muss sich fragen, ob derjenige sich selbst dabei noch gut fühlen kann.
Wir finden, solange niemand psychologisch beeinflusst wird, insbesondere unter Vorspiegelung falscher Tatsachen, ist es vollkommen in Ordnung Geld über Donationgoals im Stream zu sammeln. Am besten ist es natürlich, wenn jeder am Ende etwas davon hat, z.B. durch Spiele die gemeinsam im Stream gespielt werden oder auch neues Equipment, dass den Stream für alle verbessert.